DisruptHR mit Tabea Rinn: Wenn Teilzeit zur Lernfalle wird – warum Kompetenzentwicklung für alle Mitarbeitenden zählt
In ihrer eindrücklichen DisruptHR-Rede zeigt Tabea Rinn schonungslos auf, wie ungleich Weiterbildungschancen in vielen Unternehmen verteilt sind. Während Vollzeitmitarbeitende regelmässig von Trainings profitieren, erhalten Teilzeitkräfte deutlich weniger Lernzeit – obwohl von ihnen dieselbe Leistung erwartet wird.
Der vermeintlich faire Pro-Rata-Ansatz entpuppt sich dabei als systemischer Fehler, der sowohl Mitarbeitende als auch die Organisation langfristig schwächt.
Ungleiche Investitionen – gleiche Erwartungen
Tabea Rinn beginnt mit einem klaren Bild: In Mitarbeitende wie Enes, Vollzeit, wird grosszügig investiert. Teilzeitmitarbeitende wie Yvon hingegen erhalten «weniger als die Hälfte» der Trainingszeit – trotz identischer Anforderungen in der Beratung und im Kundenkontakt.
Rinn bringt es auf den Punkt: Niemand würde von Enes verlangen, die doppelte Leistung zu erbringen. Doch genau dieser Erwartungsdruck wird indirekt auf Teilzeitangestellte übertragen. Und das betrifft nicht wenige – rund 40 % der Schweizer Arbeitsbevölkerung arbeitet Teilzeit.
Teilzeit sei wichtig für Vereinbarkeit und Flexibilität, betont Tabea, doch: „Teilzeit muss fair sein.“ Genau dort hapert es heute noch massiv.
Pro-Rata-Lernzeit – ein weit verbreiteter Denkfehler
Viele Unternehmen kalkulieren Lernzeit immer noch proportional zum Pensum. Ein Beispiel: Bei IKEA entsprechen 2 % der Jahresarbeitszeit rund 48 Minuten Training pro Woche für eine Vollzeitperson. In Teilzeit schrumpft diese Lernzeit weiter – und zwar über Jahre hinweg um Hunderte von Stunden.
Die Folgen sind konkret spürbar:
Mitarbeitende fühlen sich unsicher.
Die Beratungsqualität schwankt – „ein bisschen Roulette“, wie Rinn es nennt.
Frauen heben seltener die Hand für mehr Verantwortung – ein Rückschritt trotz aller Gleichstellungsbemühungen.
Tabea Rinn macht klar: Kompetenzentwicklung pro Rata funktioniert nicht – für niemanden.
Gleich viel Lernzeit für alle – ein entscheidender Systemwechsel
Deshalb hat Tabea mit ihrem Team einen mutigen Schritt gemacht: Seit diesem Jahr erhalten bei IKEA alle Mitarbeitenden in derselben Funktion denselben Lernplan und dieselbe Lernzeit – unabhängig vom Arbeitspensum.
Ihr Grundsatz: Kompetenzentwicklung ist kein Luxus und kein Nice-to-have.
Sie ist essentiell für:
Leistung und Produktivität
Innovation
Kundenzufriedenheit
und langfristige Mitarbeiterbindung
Mitarbeitende mit hoher Fachkompetenz erwirtschaften gemäss Rinn bis zu viermal mehr Umsatz. Zudem bleiben sie länger, sind motivierter und gestalten aktiv mit.
Es ist ein klares Business-Argument.
„Zu teuer?“ – Warum das Gegenteil der Fall ist
Kritische Stimmen seien verständlich, sagt Tabea Rinn – insbesondere Bedenken, dass gleiche Lernzeiten für alle zu kostspielig wären. Doch bei genauer Analyse zeigt sich das Gegenteil:
Zeit, die Mitarbeitende mit Suchen und Nachfragen verbringen, kostet bereits enorm viel.
Ineffizienz, Kundenreklamationen und sinkendes Engagement verursachen zusätzliche Kosten.
Fehlende Weiterbildung ist teuer – nicht deren Bereitstellung.
Wenn Trainings zudem „zu lange für Teilzeit“ seien, seien sie vermutlich auch für Vollzeit zu lang, so Rinn. Es brauche keine neuen Programme, keine grossen Investitionen, sondern vor allem eines: Gleichberechtigten Zugang zu bestehenden Trainings.
Warum faire Weiterbildung ein Gewinn für das gesamte Unternehmen ist
Eine Transformation wie jene von Tabea hilft nicht nur Teilzeitkräften wie Yvon. Auch Mitarbeitende wie Enes profitieren – beispielsweise dann, wenn sie selbst einmal ihr Pensum reduzieren möchten.
Am Ende profitieren vor allem die Kundinnen und Kunden: Sie erhalten konstant gute Beratung von kompetenten Mitarbeitenden. Was zunächst wie ein Kostenfaktor wirkt, entpuppt sich als strategischer Wettbewerbsvorteil.
Key Take-Aways
Kompetenzentwicklung pro Rata ist unfair und unwirksam. Teilzeit darf nicht weniger Entwicklung bedeuten.
Ungleiche Lernchancen führen zu Unsicherheit und schwankender Servicequalität.
Gute Weiterbildung zahlt sich mehrfach aus: höherer Umsatz, besseres Engagement, tiefere Fluktuation.
Faire Lernzeit ist keine Frage der Firmengrösse. Fehlende Kompetenz ist teurer als deren Aufbau.
Gleichberechtigte Entwicklung stärkt alle – Vollzeit, Teilzeit und Kundschaft.
Über Tabea Rinn
Leiterin Personalentwicklung bei IKEA Schweiz
Wäre sie ein IKEA Möbel, dann vermutlich ein BESTÅ Regal – weil sie liebt, komplexe Themen zu strukturieren und sich dabei stets neu zu erfinden.
Tabea Rinn ist Change Leaderin und HR-Expertin mit Leidenschaft für Menschen, Technologie und Design. Seit fast zwei Jahrzehnten prägt sie die Unternehmensentwicklung bei IKEA und treibt innovative Projekte wie die Integration von Geflüchteten, Recruiting-Chatbots oder das Forschungsprojekt Time to Lead mit der ZHAW voran.
Als Leiterin des Centre of Expertise für Talent Development verantwortet sie die Bereiche Employer Branding, Recruiting, Leadership- und Kompetenzentwicklung sowie berufliche Ausbildung und Nachfolgeplanung.
Ihr Ziel: Kund:innen mit einem einzigartigen IKEA Einkaufserlebnis zu begeistern – und gemeinsam mit IKEA als inklusivem, zukunftsoptimistischem Arbeitgeber den Schweizer Arbeitsmarkt aufzumischen.
Unsere Sponsoren
Einen grosses Dankeschön geht an unseren Hauptpartner Workday, und an unsere Sponsoren HR Cosmos, Coople und Online Recruiter. Ohne eure Unterstützung wäre dieser Event nicht möglich. Vielen Dank!
Über DisruptHR
Innovative, neue Ideen und Meinungen, welche die Arbeitswelt neu denken und gestalten, präsentiert von rund 10 Speaker:innen in nur je 5 Minuten: Das ist DisruptHR.
Unsere Speaker:innen werden gecoacht von unserem TEDxLausanne Speaker Coach, Christopher Lübbers, um das Beste aus ihnen rauszuholen.
SPOT ON organisiert diese Events seit vielen Jahren in Zürich. Insgesamt über 80 Speaker:innen standen bereits auf unserer Bühne.