Selbstorganisation bei Waldner & Partner – Ein Praxisblick (1/3)
Was passiert, wenn ein traditionell geführtes Architektur- und Beratungsunternehmen beschliesst, Hierarchien aufzuheben und in die Selbstorganisation zu gehen?
Das Beispiel von Waldner & Partner zeigt eindrücklich, wie ein solcher Wandel gelingen kann – mit allen Chancen, aber auch Herausforderungen.
Von der Eigentümerfirma zur Genossenschaft
2016 machte der damalige Inhaber den Mitarbeitenden klar: Ab 2020 wollte er nicht mehr alleinige Verantwortung tragen. Statt einen neuen Geschäftsführer*in einzusetzen, entschied sich das Team, einen anderen Weg zu gehen: die Transformation in eine Genossenschaft und eine selbstorganisierte Struktur.
Niemand wollte „Chef“ sein – und genau das öffnete die Tür für ein neues Organisationsmodell. Ziel war es, Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen und die Zukunft des Unternehmens gemeinsam zu gestalten.
Inspiration ja – Blaupause nein
Auf dem Weg in die Selbstorganisation holte sich das Unternehmen externe Impulse und Coaching. Doch statt ein bestehendes Modell einfach zu übernehmen, entwickelte Waldner & Partner eine eigene, flexible Organisationsform. Leitprinzip: „So wenig Prozesse wie möglich, so viele wie nötig.“
Die Organisation bleibt dynamisch – Rollen entstehen, wenn sie gebraucht werden, und verschwinden wieder, wenn sie nicht mehr relevant sind.
Arbeiten in Kreisen
Heute ist Waldner & Partner in Kreisen statt Hierarchien organisiert.
Innere Kreise übernehmen Supportfunktionen wie HR, Finanzen oder Strategie.
Äussere Kreise bestehen aus Projektteams, die sich flexibel nach den Anforderungen der Bauprojekte formen.
Rollen können von mehreren Personen gleichzeitig übernommen werden – eine Art Jobsharing, das entgegen vieler Ratschläge in der Praxis sehr gut funktioniert.
Neue Rollen – neue Verantwortung
Die Selbstorganisation bringt mit sich, dass Mitarbeitende mehrere Rollen gleichzeitig innehaben können – von HR über Finanzen bis hin zu Strategiearbeit. Wer eine Rolle übernehmen möchte, bewirbt sich im Kreis, und das Team entscheidet gemeinsam.
Diese Offenheit ermöglicht es, individuelle Interessen und Kompetenzen einzubringen – gleichzeitig erfordert sie viel Eigenverantwortung und klare Kommunikation.
Herausforderungen im Alltag
Die Transformation war kein Selbstläufer. Zu den grössten Herausforderungen zählen:
Geduld: nicht alle Mitarbeitenden entwickeln sich im gleichen Tempo.
Mindset & Vertrauen: Unterschiedliche Denkweisen erfordern gegenseitige Akzeptanz.
Eigenverantwortung: Entscheidungen treffen, Feedback geben und Konflikte direkt ansprechen – ohne den „Chef als letzte Instanz“.
Vorteile der Selbstorganisation
Trotz aller Anstrengung sieht das Team klare Vorteile:
Entscheidungen sind schneller und breiter abgestützt.
Wichtige Weichenstellungen werden gemeinsam getragen und haben dadurch mehr Rückhalt.
Innovation entsteht organisch: z. B. die Denkfabrik, die strategische Zukunftsthemen entwickelt, oder das während der Pandemie entstandene Möbel „Rot“.
Fazit
Das Beispiel von Waldner & Partner zeigt, wie Selbstorganisation im Alltag funktionieren kann – jenseits theoretischer Modelle. Entscheidend sind Mut, Eigenverantwortung, Kommunikation und der Wille, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen.
Damit ist die Firma nicht nur für aktuelle Bauprojekte gut aufgestellt, sondern auch für eine Zukunft, in der Agilität und gemeinsames Gestalten immer wichtiger werden.
Zum Video-Interview
Dieses Video ist Teil einer dreiteiligen Serie:
Teil 2 beschäftigt sich mit dem Thema Herausforderungen der Selbstorganisation.
Teil 3 gibt einen Einblick darüber, wie Selbstorganisation konkret funktioniert.
Über Denise Jentsch & Patrick Neudorfer
Denise und Patrick arbeiten seit vielen Jahren bei waldner partner, und haben massgeblich die Transformation des vormals Eigentümer-geführten Unternehmens in die Selbstorganisation und Genossenschaft vorwärts getrieben.
Denise wirkt als HR-Fachfrau, Systemische Organisationsberaterin & Coach.
Patrick ist als Architekt und Projektleiter sowie weiteren Rollen in der Strategie, Innovation und als Coach tätig.
Seit 2020 sind sie Miteigentümer:in des Unternehmens für Lösungsfindungen rund ums Bauen.